Hubertusorden

Teil 2 von 3

Welche Gründe mögen Herzog Gerhard II. zur Ordensstiftung bewogen haben?

Der Hubertustag 1444, an dem die siegreiche Schlacht bei Linnich über Arnold von Egmond stattfand, dürfte für Herzog Gerhard II. nicht der einzige Grund für die Stiftung des dem Hubertus geweihten ritterlichen Ordens gewesen sein. Orden werden nicht von heute auf morgen gestiftet, sondern kommen erst nach eingehender Vorbereitung zustande.

 - Dank dem Höchsten

Man kann davon ausgehen, dass Herzog Gerhard nichts ferner lag, als mit der Stiftung des Hubertusordens einen reinen Jägerorden zu errichten. In erster Linie galt des Herzogs Dank Gottvater und der Heiligen Mutter Maria, welche die zum Himmel geschickten Gebete um Sieg hatten in Erfüllung gehen lassen. St. Hubertus als dem Tagesheiligen des 3. November wurde nur Mitbitte, also Unterstützung zugeschrieben.So finden wir St. Huberti Namen in den Ordensstatuten an zweiter und dritter Stelle genannt, indem es heißt, es solle gebetet werden: "... in der Eere Gots, Marien seyne lieve moeders ende des hilgen Marschalks Sent Huprecht" (zur Ehre Gottes, Mariens, seiner lieben Mutter und des heiligen Marschalls St. Hubert).

 - Staatspolitische Idee

Hinter der Gründung steckte nicht zuletzt eine staatspolitische Idee. Nach dem Sieg über den äußeren Gegner sollten die seit 1423 vereinigten Länder Jülich und Berg nach zwanzigjähriger Auseinandersetzung enger miteinander verbunden werden, um dem Herzogtum Jülich-Berg nunmehr auch den ruhigen Besitz im Innern zu sichern.

Artikel 6 der Statuten nennt die Treue zum Herzog als Bedingung für die Aufnahme in die Ordensgemeinschaft: "Item sullen die broeder under eyn broederlige truwe ind frundschaff halden" (Auch sollen die Brüder untereinander brüderliche Treue und Freundschaft halten). Wie aus den Statuten ersichtlich, verfolgte die Gründung des Hubertusordens nicht weniger die Absicht, dem niederrheinischen Adel einen Mittelpunkt am jülich-bergischen Fürstenhof zu geben.

Die beherrschende Stellung des Herzogs als Großmeister sicherte ihm auch in seinem Territorium wachsenden Einfluss, da sich der eingesessene Adel um Aufnahme in die Gemeinschaft bemühte, die sicherlich Berücksichtigung bei Belehnungen, Vergabe von Ämtern und Pfandschaften versprach.

 - Lokaler Bezug

Dass der ritterliche Orden des Herzogs Gerhard II. ausgerechnet dem Hubertus geweiht wurde, mag auch lokale Gründe gehabt haben. Hubertus war in unmittelbarer Nähe der Länder Jülich-Berg, in den Ardennen, beheimatet.

Seine Bedeutung für die Region zeigt sich darin, dass im rheinischen Raum vier geistliche Marschälle vor allem von der Landbevölkerung verehrt wurden "wegen ihrer einzig darstehenden Verdienste und täglichen Hülfe bei Mensch und Vieh". Sie waren die Helfer gegen immer wieder vorkommende Krankheiten, Bischof Hubertus gegen Tollwut, der Tribun Quirinus gegen offene Wunden und Geschwüre, der Einsiedler Antonius gegen Pest und das Antoniusfeuer (Rotlauf und brandige Form der Mutterkornvergiftung) und der Papst Cornelius gegen die Fallsucht. Sie waren auch die Beschützer für Hunde (Hubertus), Pferde (Quirinus), Schweine (Antonius) und für das Hornvieh (Cornelius).

Bereits 1358 war den genannten Heiligen ein Altar in der Kirche Klein St. Martin in Köln geweiht worden.

 - Jagdlicher Bezug

Ein weiterer Beweggrund für die Wahl des Hubertus als Schutzpatron für den Jülicher Orden dürfte die Tatsache sein, dass die Jagd zum Lebensbild der adligen und geistlichen Oberschicht des Mittelalters gehörte. Herzog Gerhard scheint selber ein leidenschaftlicher Jäger gewesen zu sein. So wollte er sicherlich mit dem neugegründeten Orden die ritterlichen Jäger seiner Umgebung mit dem von ihnen seit dem 10. Jahrhundert verehrten Schutzpatron Hubertus verbinden und ihnen unter seiner Führung eine gemeinsame Leitfigur geben.

Hinweis auf seine Jagdleidenschaft gibt die Bildseite aus dem Wappenbuch des Jülicher Hubertusordens, die den Gründer des Hubertusordens auf einem gotischen Throne sitzend darstellt. Zu seinen Füßen kauern zwei Jagdhunde, und auf der linken Faust hält er einen Falken, sichere Attribute eines Jägers.

 - Wohltätigkeit

Die Zeit der Ordensstiftung fällt in den "Herbst des Mittelalters", das danach strebte, das Alltagsleben mit ritterlicher Romantik und Etikette zu veredeln und zu verschönen. Vor der harten und grausamen Wirklichkeit mit der unaufhörlichen Bedrohung durch Krieg und Fehde versuchte man, in den Traum des Ritterideals zu flüchten. Das "große Spiel des schönen Lebens als Traum von Edelmut und Treue" hatte neben der Form des Turniers als zweite wichtige Ausprägung den Ritterorden, dessen Mitgliedschaft als starkes, heiliges Band empfunden wurde.

Auch in den jüngeren Ritterorden, deren Gründung seit der Mitte des 14. Jahrhunderts eine wahre Mode wurde, war ein betontes religiöses Element zu spüren. Das Ritterideal strebte nicht mehr nach weltlichem Ruhm und nach Ehre, sondern findet seine Erfüllung im christlichen Leben. Damit hatte der Orden auch die Aufgabe der Förderung menschlicher und religiöser Qualitäten des einzelnen Ritters in der Gemeinschaft.

Zum Beispiel forderten die Statuten von den eingeschriebenen Rittern, den Armen wohltätig zu sein. Auch konnten die Frauen der Ordensritter in den Orden aufgenommen werden. Aus dieser pädagogischen und sozialen Einstellung heraus wurde im Mittelalter ein Orden besonders gern unter den Schutz eines Heiligen gestellt.

 - Christusmystik

Die Mystik des Mittelalters hat ein ganz bestimmtes Ziel vor Augen: Die Einswerdung mit der Gottheit oder die unmittelbare Beziehung zur Gottheit und einen ganz bestimmten Weg, der dahin führt. Ihre Vorstellung ist die Befreiung des Menschen, seines innersten Seelenkernes aus der Unheilssituation der Erdgebundenheit und die Hinüberrettung seines ganzen Wesens mit Denken, Fühlen, Wollen in das absolute, reine Ursein.

Die Verknüpfung von Einigungsmystik mit der Christusmystik beinhaltet die Übertragung vom ekstatischen Aufstieg zu Gott und gleichzeitig den geheimnisvollen Abstieg Gottes in die Menschlichkeit Christi. Sie wird vom Menschen des Mittelalters sehr persönlich empfunden und gestaltet, mit starker Betonung des Kreuzes.

Der Jagdpatron Hubertus sollte in seinem Leben das einmalige Erlebnis der Umkehr erfahren haben, die Bekehrung zum christlichen Glauben, und dies musste, wie bei Eustachius vorgegeben, auf der Jagd geschehen.

Mystik und gläubige Einstellung des Menschen verlangen, dass die Umkehr durch Jesus Christus persönlich hervorgerufen wird, hier durch den kreuztragenden Hirsch und die mahnende Stimme Christi. So sollte nunmehr der Jäger in seinem Innern das Bild von der Bekehrung des Jagdpatrons mit zur Jagd nehmen, um - wie bei Hubertus - der wunderbaren Gnade von der Erscheinung Christi teilhaftig zu werden.

 - der Orden vom Goldenen Vlies

Im ausgehenden Mittelalter stand das Land am Niederrhein im Schatten der burgundischen Großmacht. Zeitgenosse des Herzogs Gerhard von Jülich-Berg war der Burgunderherzog Philipp der Gute. Voll Bewunderung schaute das Abendland auf seinen prächtigen Hof. Der Herzog von Burgund hatte anlässlich seiner Vermählung mit der Infantin von Portugal, im Jahre 1430, den Orden vom Goldenen Vlies in Brügge gestiftet.

Die Herzöge von Jülich standen meist in einer gewissen Opposition zu Burgund. Die Idee, als Gegengewicht und in Nachfolge des burgundischen Vliesordens einen eigenen Ritterorden zu stiften, dürfte bei Herzog Gerhard schon vor der Schlacht bei Linnich vorhanden gewesen sein.

 - der Hubertus-Ritterorden des Herzogtums Bar

Neben dem burgundischen Orden, der damals in aller Munde war, existierte bereits ein Hubertus-Ritterorden. Am 31. Mai 1416, kurz nach seinem Regierungsantritt, stiftete Herzog Ludwig I. von Bar-Lothringen einen Orden, der zunächst militärischen Charakter hatte. 1422 beschloss die Ordensgemeinschaft, den heiligen Hubertus zu ihrem Schutzpatron zu wählen.

Dieser Orden hatte zum Niederrhein insofern Beziehungen, als Herzog Adolf von Berg, der Onkel und Vorgänger Herzog Gerhards II. von Jülich-Berg, in erster Ehe vermählt war mit Jolanthe von Bar, der Schwester des Stifters.

Herzog Gerhard wusste sicher um die Ordensgründung Ludwigs I., die auch nach dem Aussterben des herzoglichen Hauses Bestand hatte, weil die französischen Herrscher als neue Landesherren die Statuten bestätigten und das Ordenszeichen weiter verliehen. Der französische Hubertusorden hat bis zur Revolution von 1830 bestanden.

Von der Blüte bis zum Ende des ersten Ordensabschnitts

Eine besondere Blüte erlebte der Hubertusorden durch Herzog Wilhelm III. (1475 - 1511), Sohn und Nachfolger Herzog Gerhards II.

Er ergänzte die Statuten und nahm als Großmeister einflussreiche Adlige des Reiches in den Orden auf. Erstmalig in der Geschichte ließ er Münzen mit dem Abbild des Heiligen prägen, so dass der Eindruck entsteht, Hubertus sei der Landespatron des Herzogtums Jülich-Berg. Unter dem Nachfolger Herzog Wilhelms III., dem Jungherzog Johann von Kleve (1511 - 1539), der die Erbtochter Maria geehelicht hatte, hielt zunächst die Hubertusverehrung an. Wieder erschienen Goldgulden mit dem Abbild des Heiligen.

Danach geriet der Hubertusorden bei den herzoglichen Nachfolgern, Wilhelm IV. (1539 - 1592) und Johann Wilhelm I. (1592 - 1609) von Jülich-Kleve-Berg, in Vergessenheit. Hierbei spielten sicherlich die verwandtschaftlichen Bindungen des Hauses Kleve zum Hause Geldern eine Rolle, so dass die Erinnerung an die Niederlage des Herzogs von Geldern am Hubertustag 1444 nicht mehr für wünschenswert gehalten wurde.

Der Absolutismus brachte eine Fülle von Jagdorden hervor.

> Genannt hatte ich bereits den von Herzog Ludwig I. von Bar-Lothringen gestifteten militärischen Orden, dessen Gemeinschaft 1422 beschloss, den hl. Hubertus zu ihrem Schutzpatron zu erwählen.

> 1447 gründeten die reichsunmittelbaren Grafen zu Sayn die "Ritterbruderschaft Sankt Huprecht". Diese rangniedrigere Konkurrenzorganisation zum hochfürstlichen Hubertusorden des Herzogs von Jülich-Berg erlosch jedoch schon zu Ende des 15. Jahrhunderts.

Das 17. und 18. Jahrhundert, als Zeitalter des fürstlichen Absolutismus bekannt, brachte eine Fülle von Jagdorden hervor.

> Erwähnt sei zunächst der "Orden vom Goldenen Hirschen" des Herzogs von Brieg, gestiftet 1672, der die Form eines goldenen Eichenblattes hatte, auf dem sich ein Hirsch befand.

> Auch kleinere deutsche Fürstlichkeiten stifteten jagdliche Orden, wie zum Beispiel der Fürst von Dillenburg 1679 den "Fürstlich Nassau-Dillenburgischen Jagdorden" sowie die Fürsten von Hohenlohe den "Phönix-Jagdorden".

> Franz Anton Graf von Sporck, Sohn des bekannten Reitergenerals aus dem Dreißigjährigen Kriege und Türkenbesiegers von St. Gotthard, ging ein ehrenvoller Name voraus. Auf seiner vierjährigen Kavaliersreise an den Hof Ludwigs XIV. hatte er auch den vom Herzogtum Bar-Lothringen übernommenen französischen Hubertusorden kennen gelernt, sicherlich auch vom ehemaligen Ritterorden der Herzöge von Jülich-Berg gehört.

Er begeisterte sich an den Parforcejagden bei Hofe und der dabei verwendeten "trompe de chasses" so sehr, dass er nach seiner Rückkehr in die böhmische Heimat zwei seiner Jäger zur Ausbildung im Horn-Blasen an den Hof von Versailles schickte. Diese beiden wurden fortan zu ersten Lehrmeistern in dieser Kunst, die sich schnell in deutschen Landen ausbreitete.

So stiftete er als leidenschaftlicher Anhänger der Parforcejagd 1695 eine Vereinigung von gleichgesinnten Jägern, die bald ordensähnlichen Charakter annahm und deren erster Großmeister Graf Sporck wurde.

Dieser Orden stand beim böhmischen, bayerischen, sächsischen, schlesischen und polnischen Adel in hohem Ansehen. Prinz Eugen trug den Orden, wie auch Kurfürst Karl Albrecht von Bayern, der nachmalige Kaiser Karl VII., ebenso König Friedrich Wilhelm I. von Preußen und König August II. von Polen. Anlässlich der Aufnahme Kaiser Karls VI. in den Orden im Jahre 1723 ließ der Graf Medaillen prägen, die sehr eindrucksvoll die Bekehrungsszene zeigen.

Wie sehr zu damaliger Zeit die Verwendung eines Hubertusschlüssels üblich war, geht daraus hervor, dass nach den Statuten dieses Ordens jedes Mitglied sich zu befleißigen hatte, "den gerechten an der Stola des hl. Hubertus angerührten sogenannten Schlüssel zu haben", um bei Bedarf "auf den Schaden zu brennen".

> Der Jagdorden von Mecklenburg, dessen Devise lautete "Hony soit qui mal y pense", die identisch mit der des englischen Hosenbandordens war, sei als weiteres Beispiel genannt.

> Auch jagdlich engagierte hohe kirchliche Würdenträger sind als Stifter bekannt, so zum Beispiel der Kurfürst Clemens-August, Erzbischof von Köln, als Stifter des Ordens "Von der Gütigkeit" im Jahre 1746. Dieser seltsam anmutende Name geht zurück auf die Vornamen des Kurfürsten: "Aussi clement qu`Auguste", was soviel bedeutet wie: "Sowohl gütig/milde als auch erhaben." Es war eines der Wortspiele, wie man sie damals gern verwendete.

> Ein weiterer recht interessanter Jagdorden dieser Epoche war der "Herzoglich Württembergische Hubertusorden", gestiftet von Herzog Eberhard-Ludwig von Württemberg.

Das Ordenskleinod bestand aus einem roten Malteserkreuz mit goldenen Rändern, in der Mitte ein grünes Medaillon mit darüber befindlichem Herzogshut. Im Gegensatz zu anderen Jagdorden wurde das Kleinod nicht um den Hals, sondern an einer breiten roten Schärpe über Schulter und Brust getragen. Der dazu gehörige silberne Bruststern war achtstrahlig. In seiner Mitte befand sich das Ordenskreuz mit der umlaufenden Ordensdevise "Virtutis Amicitiaeque foedus", was soviel bedeutet wie "Verbindung/Verheißung von Tugendhaftigkeit/Manneswürde/Tapferkeit/Tüchtigkeit/Stärke/ und Freundschaft". Sowohl beim Kleinod als auch beim Bruststern befanden sich in den Kreuzwinkeln abwechselnd goldene Jagdhörner bzw. Adler.

1807 wandelte der erste württembergische König diesen Jagdorden als Hausorden des Königreichs in den "Orden vom Goldenen Adler" um. Er bestand bis zur Auflösung des Königreichs Württemberg 1918.

> In Preußen stiftete Prinz Friedrich Karl von Preußen einen Hubertusorden. Auf grünem Band stand die Devise "Vive le Roy et ses Chasseurs", daran hängend, unter Eichenlaub und Königskrone, ein springender silberner Hubertushirsch.

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